Abwahlantrag scheitert – Lagerbildung gegen Fraktionen der SPD und DIE LINKE
In der Sondersitzung der Wismarer Bürgerschaft am 05.03.2020 ist ein tiefer Graben zwischen den Fraktionen der SPD und der Partei DIE LINKE auf der einen Seite sowie den Fraktionen der CDU, FDP, Forum für Wismar, Bündnis 90 die Grünen und der AfD deutlich sichtbar geworden. Die Fraktion DIE LINKE hatte diese Sitzung zur Abwahl der Präsidentin der Bürgerschaft, wie bereits berichtet, veranlasst. Reinhard Sieg brachte in seiner Begründung des Antrages sowohl die Art und Weise wie diese Wahl erfolgt ist als auch die Arbeitsweise der Präsidentin zur Sprache.
Zur Erinnerung: In Deutschen Parlamente ist es vorgesehen, dass der Präsident, die Präsidentin aus den Reihen des Parlamentes gewählt wird. Das Vorschlagsrecht dazu liegt bei der größten Fraktion. Da der Vorschlag der SPD-Fraktion im ersten Wahlgang keine qualifizierte Mehrheit fand (mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten) bewarb sich, zur Überraschung Vieler und entgegen der üblichen Verfahrensweise Frau Prof. Mönch-Kalina selbst. Das heißt, keine Fraktion hat die Kandidatur vorgeschlagen und offiziell war sie auch nicht angekündigt.
Dass nun die Wahl mit 19 von 37 Stimmen für Frau Prof. Mönch Kalina entschieden wurde, ist sicherlich kein Zufall und bietet breiten Raum für Spekulationen. Sicher ist jedoch, dass der Wahlerfolg nur mit Hilfe der Stimmen der AfD möglich war. Die Präsidentin schloss selbst aus, dass sie Stimmen von der SPD und der Fraktion DIE LINKEN erhalten hätte. Hauptschwerpunkt der mündlich vorgetragenen Begründung des Abwahlantrages war nun die Arbeitsweise der Bürgerschaftspräsidentin. Durch verschiedene Beispiele belegte der Fraktionsvorsitzende Reinhard Sieg, dass berechtigte Zweifel an der Überparteilichkeit der Präsidentin bestehen. So entstand der Eindruck, dass aus einem gemeinsamen Gespräch der Präsidentin in der Fraktion DIE LINKE das Thema der elektronischen Abstimmung in der Bürgerschaft für die Formulierung eines eigenen Antrages ihrer Fraktion genutzt wurde. Ähnlich seltsam wurde mit der Petition an die Präsidentin von Bewohnern des Wohngebietes Burgwall wegen der Einrichtung von Anwohnerparkplätzen umgegangen.
Die festgestellten Mängel in der Leitung der Bürgerschaftssitzungen sind ein weiteres Indiz für fehlende Neutralität. Beifalls- oder Unmutsbekundungen sind für Sitzungsgäste grundsätzlich nicht zulässig und häufig wurde lautstarker Beifall, Zwischenrufe oder Unmutsbekundungen gegenüber Mitgliedern der Bürgerschaft geduldet. Dieses Verhalten beeinflusst den Sitzungsverlauf und evtl. auch den Meinungsbildungsprozess in der Bürgerschaft. Weiterhin wurde mangelnder Datenschutz im Bürgerschaftsbüro bei der Versendung von E-Mails an die Abgeordneten sowie die Oberlehrerhafte Art und Weise des Umgangs mit den Abgeordneten bei der Behebung von Schreibfehlern bei Antragsdokumenten aus den Fraktionen kritisiert. Nach der Antragsbegründung hatte sich Frau Prof. Mönch-Kalina zu Wort gemeldet und versucht die Vorwürfe zu entkräften. Der Vorwurf an die Antragsteller, sie würden bezüglich des E-Mail-Verkehrs die Arbeit der Mitarbeiter des Bürgerschaftsbüros unberechtigt kritisieren zeigte, dass das Problembewusstsein nicht bis in die eigene Verantwortung reicht.
In der sich anschließenden Diskussion sind die Emotionen teilweise hoch geschlagen, es wurden immer wieder politische Wertung Be- und Verurteilungen vorgenommen, die nicht mit dem Antragsgegenstand zu tun hatten. So stellte Dr. Bernhard Schubach, Piratenpartei, seine Zweifel an der Überparteilichkeit des SPD-Kandidaten vom Juni 2019 heraus, der Fraktionsvorsitzende der AfD, Jens-Holger Schneider (laut Wikipedia ehem. CDU und rechter Rand der AfD), betonte in seiner Rede die Friedfertigkeit seiner Fraktion, die auf keinen Fall undemokratisch oder spalterisch tätig sein will. Aus diesem Grund wird die AfD nicht an der Abstimmung teilnehmen. Rene Domke, Fraktionsvorsitzender der FDP hielt schließlich eine mitleiderregende Rede, die die FDP nach den Erfurter Ereignissen als ungerechtfertigt verfolgt darstellte.
Im Weiteren empfand Dr. Marcel Schröder, Forum für Wismar, den Abwahlantrag als parteipolitisch begründeten Angriff auf die Person von Prof. Mönch-Kalina und Tom Brüggert stellte heraus, dass sich der immer stärker ausbreitende Hass in der Gesellschaft auch in der Bürgerschaft wiederfindet. Für die CDU- Fraktion macht die Präsidentin eine gute Arbeit, sie gibt den Diskussionen im Plenum breiten Raum und der Antragsteller solle doch die Wahlergebnisse vom Juni 2019 akzeptieren.
Britta Fust, Fraktion DIE LINKE, stellte betont emotional den Inhalt eines Gespräches dar, in dem sie die Präsidentin aufforderte Stellung zum Verhältnis gegenüber rechter Parteien zu beziehen. Die dargestellte Antwort, dass die Präsidentin auf Grund ihrer Neutralität nichts dazu sagen kann, obwohl das Beispiel der Landtagspräsidentin bekannt ist, wurde in der Sitzung nicht widersprochen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Tiedtke, konnte in sachlicher Form nochmals die parlamentarischen Parallelen von Erfurt und Wismar darstellen. Er warf der Präsidentin taktisches Verhalten vor, das mindestens billigend in Kauf nahm, dass ein Wahlerfolg nur mit den AfD-Stimmen erreichbar wird. Horst Krumpen, Fraktion DIE LINKE konnte am Ende der Diskussion die unterschiedliche Wahrnehmung einzelner Ereignisse thematisieren und eine angemessene, neutrale Reaktion der Präsidentin auf Problemlagen innerhalb der Bürgerschaft einfordern. Der Abwahlantrag erforderte wieder eine qualifizierte Mehrheit, die mit 16 Stimmen für den Antrag um 3 Stimmen verfehlt wurde.