Grundrechte versus Gesundheitsschutz?

Zur Zeit steuern Verbote und Gebote das Verhalten der Bürger. Das ist bei einer Pandemie mit einem unbekannten Virus sicher eine Möglichkeit um die Gesundheit einer Gesellschaft zu schützen. Wenn aber die demokratische Verfassung ihr Gewicht behalten soll, benötigen wir eine Diskussion über die Gewichtung staatlicher Maßnahmen.

Auf was warten wir, wenn wir den Vorgaben der Politik folgen? Auf ein Leben ohne Krankheit oder nur auf die Befreiung vom Virus? Das erste wird nach menschlichem Ermessen kaum möglich sein. Das letztere nach Aussagen der medizinischen Fachwelt ebenso wenig, da eine gewisse Immunität nur durch eine erfolgreiche Impfung oder nach erlittener Erkrankung erreicht werden kann.

Das Hinauszögern der Ansteckung durch Corona sei das vorrangige Ziel hört man aus politischen Kreisen, damit die Krankenhäuser nicht mit Erkrankten überlastet werden. Ok, wenn durch die Mediziner eine effektive Hilfe angeboten werden kann.

Grundsätzlich scheint es aber so zu sein, dass wir lernen müssen, mit Corona zu leben. Genauso wie wir mit anderen Viren leben müssen. Die hygienischen Regeln gelten nicht nur für diesen Virus, sondern bei Erkältungsviren genauso, deshalb sollte jeder Mensch der in irgendeiner Form erkrankt ist, wenn möglich, andere Menschen vor Infektionen schützen. Das gebietet schon die Höflichkeit, ganz zu schweigen von der Rücksichtnahme dem anderen Menschen gegenüber. Wohlgemerkt: Ein Mensch mit Krankheitssymptomen (zur Zeit: Husten, Fieber, Schnupfen) verhält sich rücksichtsvoll, wenn er einen Mundschutz trägt oder erst gar nicht das Haus verlässt.

Entsprechend sind auch die Maßnahmen der Regierung zu sehen: Alles was eine Masseninfektion stoppt ist sinnvoll. Aber Gebote und Verbote treiben oftmals absurde Blüten. Denunzianten fühlen sich bemüßigt, über das Verhalten ihrer Mitmenschen Buch zu führen und Bestrafungen zu veranlassen. Was ist in unserer alten Vor-Corona Gesellschaft geschehen, dass von manchen Bürgern solche Verhaltensweisen als angemessen betrachtet werden?

Wir alle sind (mehr oder weniger) mündige Bürger. Ich traue den meisten Erwachsenen zu, dass sie wissen wie sie sich zu verhalten haben. Auch den verschlossensten Mecklenburger haben die Informationen zum Thema Corona erreicht. Verbote machen das alles nicht effektiver – oder?

Dieser Virus scheint lebensbedrohlicher, als andere Viren und insofern gelten hygienische Maßnahmen erst recht. Wenn aber staatliche Maßnahmen dazu führen, dass die Grundrechte in die eine Waagschale und der Umgang mit einer nicht erforschten Virusvariante in eine andere gelegt werden, ist das nicht nur eine falsche Gewichtung, sondern auch eine zutiefst menschenverachtende. Denn eine Gesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen mag angesichts einer gesundheitsschädlichen Luftverunreinigung (Tod durch Feinstaub) angemessen sein, da wir an dieser Ursache etwas ändern können, aber ein Kampf gegen Viren?

Die Welt der Viren ist vielfältig und vieles unerforscht und insofern zählt sie zu einer Gefahr, die in unserem Alltag vorhanden ist, die wir aber nicht überhöhen sollten.

Demgegenüber stellt sich die Frage, wem es denn vor einer Gesellschaft graut, in der der Mensch anonymisiert, mit einer Maske vor dem Gesicht, für sein Gegenüber kaum erkennbar ist? Was bedeutet in dem Zusammenhang vertrauen? Und was Person? Benötigen wir eine entpersonalisierte Gesellschaft?

Wir sollten uns all diese Fragen stellen, denn ohne einen Austausch werden wir keine Antworten finden, die der Wichtigkeit des Themas angemessen sind. Dabei ist die Beratung der Epidemiologen wichtig, aber nicht ausreichend. Albert Einstein würde diese Situation so  beschreiben: „Wir leben in einer Zeit vollkommener Mittel und verworrener Ziele.“

Artikel von Petra Kawaters, Freundeskreis Wismar der Rosa-Luxemburg-Stiftung

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